„Das ist ein scheiß Hippiefilm“
Bei Plemo zuhaus lässt es sich nett sitzen. Mit ihm anwsesend sind Rampue und Miki Mikron, die neben Hitkicker Heinemann und eben Plemo an der Enstehung von „Love, Hate Peace, Fuck“ beteiligt waren.
Ein Gespräch über das Album, Kontrollverlust, Partys, Coolness, ELO und Hippiescheiß.
„Ich hätte die Platte unmöglich unter dem Namen Plemo rausbringen können.“
Wir fangen erst mal mit der Entstehung des Albums an. Das ist ja jetzt keine
Plemo-Platte, sondern mehrere Menschen waren beteiligt.
„Plemo and Rampue“, es wäre ganz interessant zu wissen, wie’s dazu kam.
Plemo: Ganz lange, bis eigentlich fast zum Schluss, war nicht klar, dass das eine „Plemo and Rampue“-Platte werden soll. Ich habe erstmal angefangen, Songs zu machen. Und wie ich das auch bei der letzten Platte gemacht habe, arbeite ich gerne mit anderen Produzenten oder Musikern zusammen, weil ich es immer schön finde, wenn sich Outputs ergänzen. Am Ende hat sich rauskristallisiert, dass ich eigentlich nur mit zwei, beziehungsweise dann zum Schluss doch mit drei Leuten zusammengearbeitet habe. Der eine war Hitkicker Heinemann, der auch schon bei der letzten Platte dabei war (und auch bei der 7“ „Flashlight“). Und seit einem Jahr gab’s die Idee, dass Rampue Remixe von jedem Stück der „Excess Express“ Platte macht. Das hat aber irgendwie nie so richtig hingehauen, eigentlich war immer nicht die Kohle dafür da, um das rauszubringen. Rampue kam mit einigen Ideen nicht weiter, und da wollten wir uns mal treffen.
Ich wurde auch nicht so richtig fertig und am Ende war es dann so, dass sechs Stücke gemeinsam entstanden sind, und fünf Stücke davon sind jetzt drauf. Das sind also zwei Stücke zusammen mit Hitkicker Heinemann, fünf Stücke zusammen mit Rampue und drei Stücken von mir alleine. Und weil Daniels Anteil so groß war an der Platte, hätte ich die unmöglich unter dem Namen Plemo rausbringen können. Man hört das ja auch ganz eindeutig, dass Rampue mit am Start ist, selbst bei Stücken, bei denen er nicht mitgearbeitet hat. Merkwürdigerweise. Ich bin halt von seinem Sound geflasht gewesen.
Miki (Anm.: Mitglied von Plemo und das Feuer) hat ja auch mitgemacht bei dem Album, Du sagtest ja mal in ’nem Interview, dass das nächste Album eher ein Bandalbum sein soll, mit Plemo und das Feuer, dass der Wunsch besteht, auch auf Platte umzusetzen, das Du jetzt eine Band hast. Inwieweit ist das jetzt mit dem Album umgesetzt? Ist das jetzt so ein Bandalbum? Arni (Anm.: spielt bei Plemo und das Feuer sowie Juri Gagarin) war ja nicht mit dabei.
Plemo: Also in Arnis Fall war es jetzt so: wir haben uns hingesetzt und gedacht, wir schicken uns gegenseitig, was wir noch so auf Halde liegen haben. Und irgendwie ist es da nie richtig zu gekommen. Warum auch immer. Ich glaube, dass lag hauptsächlich daran, dass alle so viel zu tun hatten. Bei Miki, da hat sich eine Familie entwickelt, und Arni musste zu der zeit die Juri Gagarin Platte fertig machen, er hatte also auch verständlicherweise keinen richtigen Kopf dafür. Und das wurde dann immer enger und ich war auch nachlässig. Es hat sich einfach anders ergeben.
Aber der Gedanke besteht schon noch?
Plemo: Die Idee ist da, aber da muss man anders vorgehen. Ich bin einer, mit dem man eigentlich relativ schwer zusammenarbeiten kann, weil ich immer mein Ego durchboxen will.
Kontrollfreak.
Plemo: Jaja, genau, Kontrollfreak ist genau das richtige Wort.
Das war so eine Sache, die mit Daniel gut geklappt hat. Du hast ja auch genauso gedacht, dass du schwer mit anderen Leuten zusammenarbeiten kannst.
Rampue: Ja, das hatte ich auch immer bei mir, dass ich immer der Kontrollfreak war, aber hier hat das funktioniert.
„…eine Mischung aus live spielen, auflegen, live noch mal Sachen durch den Wolf drehen. Und… einfach Abfahrt.“
Das es jetzt kein Plemo und das Feuer-, sondern Plemo and Rampue-Album geworden ist, wie wird sich das in der Liveumsetzung äußern? Werdet ihr zusammenspielen, wird Arni noch mit machen, wie wird das ablaufen?
Miki: Da wird es so aussehen, dass wir zu dritt auf der Bühne stehen. Die Idee ist, einen Abend, eine Nacht, kann man fast sagen, komplett alleine zu machen. Also eine Mischung aus live spielen, auflegen, live noch mal Sachen durch den Wolf drehen. Und… einfach Abfahrt.
Rampue: Im Februar hatten wir das das erste Mal in einem kleinen Club in Tübingen. Ich wollte meinen Auftritt beenden und dann kam Miki auf die Bühne gestürmt und meinte ‚Nee, spiel weiter!“. Und er fing dann noch an, Musik mit reinzumixen, weiterzumachen. Und dann kam noch Arni auf die Bühne und hat Juri Gagarin-Stücke gespielt. Plemo hat dann noch bei Stücken mitgesungen. Da waren alle Künstler auf der Bühne und wir haben dann noch fünf Stunden, glaub’ ich, Musik gemacht.
Plemo: Das ist im Prinzip so ein Traum, den ich schon immer hatte, dass man zusammen eine komplette Party bestreitet und die ganze Nacht Sound macht auf der Bühne. Man hat natürlich schon ein festes Muster durch die ganzen Songs, die man dabei hat. Aber durch unsere moderne Technik ist es ja möglich, dass alles zusammenzubringen. Es sind mehrere Laptops auf der Bühne. Das ist im Prinzip ein bisschen so ähnlich als ob da jetzt drei Djs auf der Bühne stehen, die alle jeweils zwei Plattenspieler haben. Dazu kommt ein singender MC, und das alles läuft auf einem Kanal zusammen. Da können sich alle immer gegenseitig neuen Input geben, der eine reagiert auf den anderen, und so kommen dann auch Rampue-Stücke zusammen, Plemo-Stücke zusammen, und Miki umgarnt das Ganze mit den schönsten Beats die wir kennen. In dem Fall kamen sogar auch noch Juri Gagarin Stücke hinzu. Wobei es sich durch logistische und finanzielle Geschichten ergeben hat, das Arni, der auch mit Juri Gagarin ganz gut ausgelastet ist, nicht mehr bei Plemo und das Feuer ist. Wir werden das jetzt zu dritt zelebrieren, zumindest das jetzt noch vor uns liegende 2008. Und dann sieht man, wie’s weitergeht. Und außerdem haben wir noch Helge (LJ-Gold) dabei, der auch dieses schöne neue Video gemacht hat, mein Brüderchen. Der macht da, wo sich das lohnt, Visuals. Er reagiert dann auch wieder live auf die Musik. Alle reagieren aufeinander.
Ich hatte gelesen, du wolltest für live die Möglichkeit haben, zu jammen und zu improvisieren, flexibel zu sein und zu interagieren und nicht bloß so: okay, jetzt wird da was abgespielt und dazu wird noch etwas live gespielt.
Plemo: Absolut. Wie du’s eben schon sagtest, die Strukturen sind ja schon da. Also für’n Jam muss der Flow stimmen (Lachen) Und man muss es einfach spüren (erneutes Lachen). Nein, wenn’s nicht richtig flowt, kann man immer noch auf seine festen Strukturen zurückgreifen. Little Magic Tübingen war halt so die erste Experience (Lachen), um mal in diesem Jargon zu bleiben. Da haben uns die Veranstalter noch mal auf die Bühne gezwungen (mit Schnaps), weil die sich nicht damit zufrieden geben wollten, dass das jetzt schon vorbei ist. Die kamen zu uns: „Ihr müsst noch mal spielen!“ und dann ist Miki auf die Bühne gesprungen und hat gesagt „Rampue, hör nicht auf!“
Miki: Das, was wir jetzt machen wollen, das ist durch Zufall entstanden.
Plemo: Das lag schon in der Luft.
Miki: Aber das hat so geil funktioniert, das haben wir dann noch zweimal gemacht auf der Tour.
Plemo: Haben wir dann eigentlich fast jedes Mal.
„Wir modellieren die Welt“
Das ist ja schon interessant. Die Sachen haben ja doch schon eher so eine Art Song- oder Trackcharakter, das ist ja kein DJ-Set, aber wenn jetzt die Veranstalter sagen „Hey, macht weiter!“, dann kriegt das so einen Rave-Charakter. Obwohl es letztendlich Interaktion gibt unter in sich geschlossenen Stücken.
Wenn wir gerade bei den Stücken sind, können wir ja auch mal auf die anstehende Veröffentlichung eingehen.
Was mir aufgefallen ist, gerade auch beim ersten Stück „Kommunizieren“, ist der höhere Textgehalt, der relativ hohe Textgehalt für Plemo-Stücke. Und dieses „Wir boykottieren die Angst“ hat auch etwas sloganhaftes. Wie kam es dazu?
Plemo: Da kann ich, glaube ich, relativ gut drauf antworten. Der Punkt ist der: es gab ja vier Plemo-Veröffentlichungen, streng genommen fünf, aber die erste lasse ich mal raus. Die „Yeah“ war die erste, die bei Audiolith erschienen ist, und zu diesem Zeitpunkt hatte ich so ein Lebensgefühl, dass ich einen riesen Spaß an der Absurdität der Welt hatte. Das ist jetzt schon wieder so ein Hippie-Gedanke. Deswegen habe ich möglichst viel Nonsens unter diese Musik gepackt. So: „Ich bin Dein Butterbrot. Aber so viel Nonsens ist das gar nicht. Da war auch schon eigentlich was dahinter. Es hat mal, als ich als Teenager irgendwo eine Nachtschicht gemacht habe, ein portugiesischer Arbeiter zu mir gesagt: „Hier. Wesentlich. Butterbrot.“ Alles klar. Wo er Recht hat, hat er Recht. Butterbrot ist ein Ding zum festhalten, das kann man essen, das gibt Kraft, das gibt Energie, um diese Scheiße durchzuhalten. Und das Geld, das man da verdient, ist wichtig, damit man sich eben dieses Butterbrot schmieren kann. Ich finde diese einfachen Wahrheiten schön. Wenn man keine großen Erklärungen hat. Ich neige immer total zum Rumschweifen, vielleicht liegt es auch daran, dass ich es schön finde, wenn etwas sehr, sehr direkt und sehr einfach ist. Und das ist durch diese Live-Auftreterei alles ein bisschen auseiandergeflattert und immer absurder geworden, das war ja fast schon so eine Clownparade. Ich erinnere mich an Auftritte im Hafenklang, bei denen wir als Nikoläuse verkleidet waren.
Naja, aber Ähnliches machen die Flaming Lips auch, und die machen auch nicht unbedingt sinnlosen Kram.
Plemo: Ja, aber beim Publikum kam das als sinnlos an. Ich hatte da schon immer einen Hintergedanken dabei.
Auch dieses konzeptionelle sich auf der Bühne halbkaputt Saufen. Das hat sich irgendwann verselbstständigt. Man war viel am Saufen und es war eigentlich nur noch Quatsch und nur noch witzig und nur noch albern. Das hat seine Spitze gefunden in „Lecker lecker Bierchen“, diesem Song auf der „Kennzeichen P“. Und ab da fing es schon an, dass ich dachte „Fuck! Das muss sich jetzt mal ändern, das kann eigentlich nicht so weitergehen.“ Denn ich mache Musik aus einem ganz ernsten Grund, was heißt einem ernsten, aber es gibt eben ganz wenige Leute, die Musik machen, weil sie jetzt einfach mal Lust dazu haben. Man hat ja schon einen Anspruch, zum Beispiel Erinnerungen darzustellen die sich schwer mit Worten erklären lassen, eine andere Ebene aus sich rauszukratzen. Das hört sich wieder hippiemäßig an. Ist es tatsächlich auch.
Und auf der „Excess Express“ kommt dieser Anspruch dann schon an manchen Stellen raus. Es gibt da diesen einen Song, „Unsere Räder“, in dem ich schon einmal auf so eine Angst, auf die Du eben in einer Frage hinaus wolltest, anspiele. Wo ich singe „Wir haben Angst vor der Wirklichkeit / unsre Räder rollen meilenweit / für uns gibt es wirklich nichts zu tun / außer vom Zelebrieren auszuruhen“ Das war so eine Art verklärtes damit Abfinden, dass es eben so ist. Also, wir sind irgendwie nur auf Tour, wir labern die ganze Zeit nur Scheiße, also wir, damit meine ich eigentlich das ganze Spektrum von Leuten in diesem ganzen Umfeld. Und man kommt aber selten auf Wesentliches zu sprechen. Also das ist oft eine ganz oberflächliche Geschichte.
Das wäre super, wenn Du jetzt so ein großer Rockstar wärst, dann könnte man das schön als „Hilfeschrei“ darstellen. (Lachen)
Plemo: Ja. Weil ich aber total größenwahnsinnig bin, kann man das auch so sagen. (Lachen). Ich habe auf dieser neuen Platte versucht, dass noch ein bisschen mehr zusammenzukriegen. Und in diesem Song, den Du grade angesprochen hast, „Kommunizieren“, da ist der Text auch so ziemlich schnell in dem Moment, als der Beat da war, entstanden. Zumindest die erste Strophe. Es geht da eigentlich auch um das zwischenmenschliche Miteinander. Wie man, wenn man tanzen geht, auf der Tanzfläche, in der Lage ist, sein gesamtes Umfeld zu beeinflussen. Es gibt auch diese Stelle „Wir modellieren die Welt“. Die Welt besteht dann plötzlich nur noch aus der Tanzfläche, den Füßen und den Menschen um dich herum. Es wird alles so schön einfach dabei. Und genau dieses „Es wird so schön einfach“ ist ein mutwillig herbeigeführter Effekt. Und damit boykottiert man die Angst vor der wirklichen, großen, bösen Welt. Und das macht man ganz bewusst, um in diesem Moment auch mal berechtigterweise Abstand zu bekommen. Für mich ist das der Reiz an einer Party.
Also ein Hedonismus, der nicht einfach darauf basiert, das man sagt „Mir scheißegal, ich feiere jetzt einfach“, sondern im Wissen, dass man Ängste hat und das einfach Sachen scheiße sind, man aber bewusst dem entgegengesetzt feiert und das trotzdem weiß?
Plemo: Vieles wird einem ja erst nachher bewusst. Texte kommen ja oft so schnell aus einem raus, dass wird einem oft erst nachher bewusst, was da dahinter steckt. Deswegen ist deine Interpretation vollkommen angebracht.
Ja, was soll ich dazu sagen? Wir sind halt alle Menschen mit ganz normalen Gefühlen und mit ganz irdischen Problemen, die jeder andere auch hat. Und man kann das einfach nicht ignorieren, und man kann das auch in der Musik nicht abschalten. Und ich habe versucht, in dieser Party-Plemo Ebene trotzdem darauf hinzuweisen.
Nicht bloß einfach dieses Rave-Ding, sondern ein Stück Realität, Leben, das sich jenseits von Partys abspielt mit reinbringen.
Plemo: Ja, das könnte man so sagen. Miki, du guckst die ganze Zeit so.
Miki: Ja, das ist ein Song, der für mich einfach total Deiner Persönlichkeit entspricht. Und auch in Bezug auf Plemo, wie du das aufgezogen hast. Im Prinzip geht es darum: Du hast eben am Anfang den größten Scheiß gemacht und es gab auch, meiner Meinung nach, peinliche Momente. Das war dann auch irgendwie egal. Es ging darum, dass ihr einfach euer Ding macht.
Plemo. Der Song ist ja der Opener und irgendwie auch eine Ansage, um was es uns geht. Und ja, diese peinlichen Aktionen von denen du sprichst, da war auch viel gewollt, weil man das Gefühl hat: „Leute …Leute! Nicht einfach dastehen und gucken. Einfach mal Leben!“, jetzt, in diesem Moment.
Fast dadaistisch eigentlich.
„Kontrolliert die Kontrolle verlieren“
Auf der Platte ist ja auch oft die Rede von Kontrollverlust. „You are so fancy uncontrolled“ und „ All you have to do is loose control“.
Plemo: Ja, genau. Ich finde das für Menschen ganz wichtig, dass man in der Lage ist, kontrolliert die Kontrolle zu verlieren. Das ist ja eben das Schwere.
Rampue: Und die Hemmungen vielleicht auch, oder? Wir sind ja voll im Hippiefilm hier.
Plemo: Total. Das ist ein Hippiefilm. Das ist ein scheiß Hippiefilm.
Rampue: Hemmungen gibt es ja auch überall. Man kriegt das reingedrückt, das man nicht auf eine bestimmte Art und Weise sein darf. Darum geht es irgendwie auch.
Aber inwiefern unterscheidet sich dieser Kontrollverlust, oder auch dieses Abstandnehmen von der Angst, das ihr beschreibt, von einem gesamtgesellschaftlichen Zwang zum Gutgelauntsein, zum Feierwilligsein, zur Kontaktfreudigkeit?
Plemo: Das ist eine gute Frage. Spontan fällt mir dazu ein: auf der einen Seite: bayrische Bierfestzelte, wo alle zusammensitzen und bei einer Maas sofort Spaß haben. Die sind nicht erst ernst und werden dann lustig, die sind eigentlich von Anfang an lustig. Wohingegen mir auffällt, dass es in der szenigsten Szene oft erst dann lustig wird, wenn’s eigentlich schon zu viel ist. Also, weiß nicht, vielleicht ist das nur eine persönliche Beobachtung, die mir aber auch ehrlich gesagt stinkt. Tatsächlich suche ich mein Leben lang Menschen, die eine gewisse Grundoffenheit und Grundfröhlichkeit pauschal dabei haben, scheißegal wie alt und was auch immer. Und so finde ich dann ein bayrisches Bierzelt fast ehrlicher als eine hippe Party, wo man erst ab ein Uhr aufschlägt, weil man sich vorher zuhause oder in irgendeiner Lounge mindestens sechs Cuba Libre reinpfeffern musste, damit man überhaupt in der Lage ist, entspannt mit Menschen umzugehen. Das widerspricht jetzt ein bisschen dem, was ich eben schon mal gesagt habe. Eigentlich widerspricht es sich nicht, glaube ich. Das ist echt nicht einfach. Ich mag zum Beispiel auch Karneval. Da habe ich in Norddeutschland immer ein riesen Problem damit. Aber da sind immer ganz viele Leute, die an einem Tag nach draußen gehen und einfach gute Laune haben. Das ist ein bisschen schwierig zu erklären, die meisten sagen ja: „Oh, das ist aber doof, auf Knopfdruck und dann immer nur an einem Tag, man kann doch immer Spaß haben“, aber ich mag das Kollektive daran, und das es da auch egal ist, ob du jetzt ein Hippie oder ein Bankangestellter bist. Das ist völlig, völlig lax. Und das könnte auch öfter so sein. Nur funktioniert das natürlich nicht in diesen gesellschaftlichen Zyklen, in denen man steckt. Und daher finde ich das gut, wenn es so einen Tag gibt, wo alle miteinander Spaß haben. Ja, man kann auch vieles wieder raus schneiden. (Lachen)
Ich weiß nicht, Widersprüche sind super, das ist auch gut für die ganzen Popintellektuellen, die dann ein bisschen Dialektik reinbringen wollen.
Plemo: Dialektik ist super. Jetzt kann man das auch wieder auf den Sound ausweiten, dass man sagt, genau diesen Widerspruch, den hört man auch im Sound. Da ist auf der einen Seite diese harte Rhythmik, und auf der anderen Seite sind diese leichten, fast Mike Oldfield-Schwebungen und Melodien.
„Das ist fast schon wie so eine Art Collagetechnik…“
Was bei den Stücken auffällt, bei „Kommunizieren“ zum Beipiel gibt es dieses „Dip Dip De Di“, dieses kleine Stückchen, das an „Funkytown“ von Lipps Inc. erinnert, dann Hot Butter mit „Popcorn“ und dann „I Wanna Feel Your Body“. Wer war das noch einmal?
Rampue: Samantha Fox.
Genau. In Deiner Musik, auch in den früheren Stücken, gibt es ja recht viele Zitate. Wie kommt das dazu? Ist das der Versuch, ein kollektives Musikgedächtnis anzusprechen, So das man sagt: „Hey, das ist ja Lipps Inc!“, und man hat den Song im Kopf, und dann Klick! und Party?
Plemo: Ein toller Gedanke. Also, dass könnte so sein. Aber das passiert unbewusst. Man macht einen Beat, hat eine Melodie im Kopf und stellt dann fest: „Oh, das klingt so ähnlich wie ein Beat aus meiner Kindheit“. Und dann spielt man das aus Spaß einfach mal auf dem Keyboard ein und hört sich an, wie das dazu klar geht. Logisch, dass man jetzt nicht einfach einen Coversong macht, denn man wollte ja eigentlich was anderes machen, einen eigenen Song. Und dann kann das so passieren, Es ist wirklich nur so eine Art Gimmick, man kann auch sagen, ein Zitat, Gimmick ist blöd. Aber auf der anderen Seite man kann ja auch ruhig mal offen zeigen, wo die Quellen herkommen. Was einen künstlerisch-musikalisch geprägt hat. In den Achtzigern oder in den Neunzigern oder sogar auch in den Siebzigern. Lipps Inc., das ist ja sogar Ende der Siebziger.
Ich glaube, das war 1980, das war die letzte Nr. 1, die noch ein richtiger Discosong war.
Plemo: Ich steh’ auch auf diesen ganzen Siebziger Disco-Kram.
Rampue: Wenn ich Songs baue, und ich dann im Kopf habe, wie es weitergehen muss, und mir das gefällt, dann hört man natürlich auch die Einflüsse wieder raus. Zum Beispiel bei diesem Samantha Fox-Sample. Da haben wir den Song gemacht und ich dachte nur so: Das würde so geil rein passen, das muss da hinkommen.
Plemo: Manchmal zwingt sich das einem fast auf, ne?
Ich hatte beim mehrmaligen Durchhören des Albums teilweise den Eindruck, als wäre das konzeptuell. Das wirkt wie Zitatpop. Ich habe den Eindruck gehabt, als würde ein gewisses „kollektives Partygedächtnis“ angesprochen. „Excess Express Vol. 2“ klingt nach Kraftwerk. Diese kleine Melodie am Anfang.
Plemo: Bei einem Song ist sogar am Anfang kurz eine Kraftwerk-Melodie drin, beim allerletzten Song „Ich weiß“. Man kann also sagen, die Stücke, die ich allein gemacht habe, ohne Rampue, sind vollgepackt mit solchen Zitaten. Das ist fast schon wie so eine Art Collagetechnik, dass man eine eigene Maltechnik mit Photos oder mit Maltechniken von anderen Malern vermischt. Das ist auch eine Art, Hommage kann man nicht sagen, das wäre zu hochtrabend, Ehrung. Ich finde das einfach geil. Bei diesem „Love, Hate, Peace, Fuck“-Stück ist es in der Strophe von einer Bassdrum und einer Bassline her eine Erinnerung an „Tanz den Mussolini“. Und der aufgeblasene Refrain, das ist so meine Vorliebe für richtig aufgeblasenes Zeug von Vangelis oder Jean Michel Jarre. Das mag ich auch, und das darf da drin auch Platz finden.
„Es geht einfach darum, Popmusikstücke zu machen, die aus der Notwendigkeit heraus entstehen, dass man sie macht.“
Ich finde, dass die Zitate, auch wenn es keine bewussten sind, ein bisschen dazu beitragen, eine Linie, eine Richtung, eine Tradition, in der man steht, aufzuzeigen. So eine gewisse Party- oder eher Disco-Tradition. Ich habe deswegen bei eurer Musik eher den Eindruck, dass sie, auch wenn es vom Sound her ähnlich klingt, kein Electro ist, sondern Pop ist. Discopop vielleicht.
Rampue: Das ist definitiv solche Musik.
Ihr würdet da jetzt auch nicht sehr viel Wert darauf legen, szenemäßig oder stilmäßig als Electroclash, Rave, Nu Rave und ähnliches wahrgenommen zu werden?
Plemo: Das schönste wäre, wenn irgendjemand gar nicht mehr um die Ecke kommt und versucht, das in irgendeinen Stilclash reinzubasteln. Man versucht echt nicht Techno-Tracks zu bauen oder so was. Es geht einfach darum, Popmusikstücke zu machen, die einfach aus der Notwendigkeit heraus entstehen, dass man sie macht. Ich stehe halt total, das sind wir uns alle relativ einig, tierisch auf die Petshop Boys zum Beispiel. Oder auch Kylie Minogue ist irre, die schafft es immer wieder, geile Alben zu machen. Oder Madonna. Letztens kam mir so ein Satz: Was ist denn dein Produzentenziel? Ja, ganz klar, ich will unbedingt eine Madonna-Platte machen. Das viel mir vorgestern mal ein. Die letzte ist ja jetzt von dem „Zoot Woman“-Mann gemacht worden, dass hätte man vor fünf Jahren auch nicht gedacht. Und dann war es mal William Orbit, der hat, bevor er die Madonna-Platte gemacht hat, nur so Deep House und Techno Trance gemacht.
Das wäre einfach eine schöne Idee. Weil ich glaube, dass Madonna extrem geile Ideen hat für extrem geile Songs, super Texte, und das inspiriert natürlich auch zu geiler Musik.
Rampue, die Remixe von „Excess Express“ und “Top40DJs” sind noch von der ursprünglichen Idee, ein Remixalbum zu machen, übrig geblieben?
Rampue: Ja genau. Am Anfang war die Idee, eine Plemo und das Feuer-Patte zu machen. Dann gab’s kurz die Idee, dass Das Feuer Stücke drauf sind und noch Remixe von der „Excess Express“, und die sind der letzte Fetzen von der ursprünglichen Idee.
Plemo: Das ist immer so, dass die Form, die es letztendlich bekommt, erst in den allerletzten Zügen entsteht. Die ganze Zeit schwimmt man hin und her und weiß gar nicht, wo die Fahrt hingeht. Bei Knarf, ein großer, lieber Mensch, bei dem ich echt sage, das ist ein Freund, also der ein richtig guter Freund geworden ist in den letzten Jahren, bei dem ist es ähnlich. Der will, glaube ich, auch „the big gathering“, deswegen steht der auch so auf Improvisieren auf der Bühne. Er möchte, dass das Publikum mitmacht, da stehe ich auch dahinter. Jetzt habe ich bloß grad vergessen, wo ich hinwollte. Ach ja, genau Ich war mit Knarf zusammen auf Tour, wir haben so eine Spezialtour gemacht, Plemo solo und Knarf Rellöm als X, also nur als Mensch, der einfach dabei ist, der Ansagen macht, der spontan irgendwelche Aktionen zu den Songs macht. Und wir haben dann auch Songs von ihm dazu gespielt, das wurde dann am Ende sogar fifty-fifty ungefähr. Und während dieser Tour habe ich noch die Platte „Excess Express“ gemacht, die war schon so gut wie fertig, aber ich hatte keinen Namen und er sagte: wenn die fertig ist, dann weißt du den Namen. Aber erst wenn die fertig ist. Das gibt immer Stress, weil Promotionagentur, Verlag, Label, alle machen Druck, die wollen den Namen der Platte schon vorher wissen. Klar, du versuchst irgendwie Werbung zu machen. Aber wie soll man Namen für etwas finden, was einfach noch nicht da ist? Es ist erst dann da, wenn es richtig fertig ist. Und so war es jetzt zum Schluss auch. Die ganze Produktionsphase über, Anfang 2008 und Ende 2007, war eine extrem turbulente Zeit, bei mir, bei Rampue auch. Und diese Gegensätzlichkeit von Liebe, Hass, und Frieden und dem, was danach kommt, (Kichern) beschreibt ganz gut diese emotionale auf und ab.
Die Schönheit und Tragik des Lebens umarmen, die Gesamtsumme dessen, was das Leben ausmacht? Jetzt ganz pathetisch.
Plemo: Ja, schönes Zitat. Pathos ist ja nix, worum man irgendwie einen Bogen machen müsste. Doch, könnte man so sagen.
Also das, was einem umtreibt. Obwohl jetzt Fuck, das hat ja mehrere mögliche Auslegungen…
Plemo: Fällt mir spontan jetzt noch was dazu ein: Es gibt Menschen, die könne immer die gleiche Musik machen, egal in welcher Lebenslage sie sich befinden. Zu den Menschen, ich kann ja nur für mich persönlich sprechen, gehöre ich nicht. Ich kann es nicht. Immer wenn ich umziehe, verändert sich die Musik, verändert sich sonst was. Also ist das einfach so. Diese Gefühle, die man durchlebt, die Lebensextremphasen, die spiegeln sich in der Musik wieder, ob ich das will oder nicht. Alles andere wäre, find ich, nicht musizieren, sondern Zweckgestalten.
Kunsthandwerk.
Plemo: Ja, genau.
„Do You Like ELO?“
Jetzt was andres. Bei einem Song habe ich die Hoffnung, das sich da was kleines dahinter verbirgt, vielleicht auch was persönliches, dieses: „You are so fancy uncontrolled. Do you like ELO, I do so.“ Wäre das so ein potenzieller Anmachspruch? (Lachen)
Plemo: Noch gar nicht drüber nachgedacht, aber eine geile Idee eigentlich. Zu ELO muss Rampue was sagen. Unbedingt.
Rampue: Nein, keine Ahnung. Hey, das ist ELO, Mann, ELO. Das wäre ein Traum von mir, mal zu jemandem hinzugehen und zu sagen: „Ich hör ELO total gerne, seit ich vier oder so bin.“ „Oh, cool Ey, du bist ja richtig cool!“ (Lachen) Und nicht bloß so dieses angewiderte „Ach geh’ mir weg mit dem Schrott.“ Das „Do you like ELO“ kam ja eher von Plemo.
Plemo: Da habe ich aber auch an Rampue gedacht, weil er auch so ein mega ELO-Fan ist. Er hat mich vor einem Jahr erst darauf gestoßen, und da habe ich entdeckt, dass ich auch von Kind an Fan von denen bin, nur das ich das nicht wirklich wusste. Weil das irgendwie so nebenbei passiert ist. Der war ja ständig in den Charts, oder immer so im Abstand von vier Jahren, und das sind Stücke, die fast über zwei Jahrzehnte komplett im Kopf hängen geblieben sind.
Miki: Der Typ ist ein Genie.
Plemo: Du liebst den auch so? Bei dem Stück hast du nämlich mitgemacht.
Miki: Mein Part bei dem Stück bestand nur darin, das ich das fertige Teil in der Hand noch mal hin und her gewogen und hier und da Kleinigkeiten hinzugefügt habe.
Plemo: Aber es hat sich, obwohl es der gleiche Song geblieben ist, elementar verändert. Miki sagte, „Ich habe da ein bisschen Schmutz drunter gemacht“, ohne diesen Schmutz wäre das sterile Scheiße. Das hat echt viel gewonnen. Auch dieser lustige Break mit dem „Tschuip“, schön.
Macht doch mal eine Anthology. (Lachen)
Miki: Das ist großartig. Wenn man sieht, wie manche Leute sich verbiegen, um die Ideen, die sie im Schädel haben, auf Band zu kriegen oder zu verfeinern, das ist echt toll.
„Dieses Punkgespräch. Man wird da ja von allen Seiten gefragt.“
„Ich Weiß“, sticht ein bisschen raus, finde ich. Soundmäßig nicht, aber von der Stimmung her.
Plemo: Das Stück ist jetzt am Ende, und dort macht es jetzt erst Sinn. Das ist das längste Stück von allen, das ist fast schon episch aufgebaut. Und der Text ist auch sehr hippiemäßig gedacht. Das ist etwas, was sich ganz langsam entwickelt, da geht es mehr um so eine Ratlosigkeit. Es gibt manchmal Situationen im Leben, in denen man eigentlich verklärt sagen könnte: „Alles klar, so und so und deswegen ist das so“, aber man vor den Kopf gestoßen ist, weil sich Dinge anders ergeben haben, als man davon ausgegangen ist. Das kann einen dann echt stark verwirren, was so ein Leben betrifft, wie es funktionieren könnte. Und das ist immer so ein Hin- und Her zwischen ich weiß, ich weiß nicht, was weiß ich eigentlich? Weiß ich wirklich was?
Da haben wir wieder Dialektik.
Plemo: Das steht jetzt am Schluss, aber das soll nicht heißen „Hilfe, Hilfe!“. Das ist kein „Hilfe, Hilfe, ich weiß nicht, was los ist!?“. Das passte stilmäßig da am schönsten hin. Und das lässt einen auch so ein bißchen zurück mit dem Bedürfnis, noch mal zu gucken, was eigentlich vorne auf dem Album passiert ist.
Das ist gut, das hält nach hinten hin die Platte noch ein bisschen offen, es wirkt halt nicht in sich erledigt und geschlossen.
Plemo: Das ist fast genau das, was Rampue gesagt hast, als er die Reihenfolge gemacht hast.
Rampue: Ich weiß gar nicht mehr genau, was ich gesagt habe, aber ich nicke jetzt einfach mal.
Plemo: „Love, Hate, Peace, Fuck, das war halt auch mal gedacht als letztes, und da hat dich das einfach gestört, das da diese Wort „Fuck“ am Ende steht. Es wäre aber ein gemeißelter Abschluss gewesen.
Rampue: „Fuck“ am Schluss eines Albums zu haben ist irgendwie scheiße.
Plemo: Wobei Fuck natürlich auch wieder sehr viele Bedeutungen hat.
Rampue: Das passt eher zu einer Punkband, und wir machen ja keine Punkmusik. Wir wollen ja nicht irgendwie rotzfrech sein, wir wollen einfach schöne Popsongs machen.
Obwohl ich finde, so ein gewisser Punkgestus ist das schon drin. Nicht jetzt Punk im Sinne dessen, was sich in den Achtziger Jahren oder Anfang der Neunziger raus entwickelt hat im Hinblick auf Deutsch-Lederklamotten-Saufpunk. Das ist nicht abwertend gemeint, das ist auch eine gute Sache. Eure Musik hat auch so einen Punkgeist.
Plemo: Also definitiv. Dieses Punkgespräch. Man wird da ja von allen Seiten gefragt. Gerade bei der „Kennzeichen P-Platte“ oder auch bei der „Excess Express-Platte“. Bei Myspace war ganz lange die erste Stilschublade, die man da auswählen kann, drei kann man auswählen, war Punk. Und die Leute fragen dann „Wieso? Was ist denn Punk?“ Ich hab mal eine Kritik gelesen, wo einer meinte „Oah, der zieht sich da das tolle Punkimage an, weil das grade so hip ist und toll und in Wirklichkeit ist das doch gar kein Punk.“ Die Frage ist ja: was ist Punk überhaupt? Punk ist ja keine Musikrichtung, sondern Punk ist ja…
Weiß nicht, Punk ist einfach eine gewisse Offenheit und einfach machen, so eine gewisse Selbstzwecksache.
Plemo: Ja.
Auch ein gewisses Kunstding.
Plemo: Beinhaltet aber zum Beispiel auch eine gewisse Ablehnung gegenüber einem Establishment, um so ein Wort mal zu benutzen. Einfach mal ein Infragestellen von Grundfesten, die da sind.
„Wieso macht ihr so einen Blödsinn?!“
Um noch einmal auf die Texte der aktuellen Platte zurückzukommen: kann man sagen, das die Texte nicht den großen Gehalt haben, sondern eher eine Art Stimmung transportieren? Die Stimme ist ja auch ein Instrument.
Rampue: So sehe ich das auch. Haargenau so wie es Sigur Ros machen, dass sie die Stimme allein als Instrument benutzen. Und das die Texte größtenteils überhaupt keinen Sinn ergeben. Okay, man kann jetzt nicht irgendwie total damit übertreiben und absoluten Nonsens ins Mikrofon plappern.
Aber auch etwas wie dieses „Rhama Rhapa Chu Chu“ bei „All i know“, trägt nicht so viel Botschaft, aber schon zur Atmosphäre bei. Irgendjemand schreit da recht ausgelassen, ich würde das nicht als sinnlos bezeichnen.
Plemo: Das ist eine Klangmalerei. Das ist einfach ein Stilmittel, das die Stimme wie ein Instrument gebraucht. Gerade in der englischen Popmusik, die ja immer wider total populär ist, Sixtiesrock etc., wird das andauernd gemacht. Es gab auch Leute, die sich darüber echt beschwert haben: „Wieso macht ihr so einen Blödsinn?!“
Ich hab das auch in ein paar Rezis gelesen das da stand: „Oh, Plemo ist wieder herrlich sinnlos“.
Miki: Äh, war da nicht auch mal im Blog diese eine, diese Megadiskussion?
Plemo: Es gab tatsächlichq eine riesen Diskussion innerhalb meines Blogs. das hat dazu geführt, dass ich ein Manifest über den Sinn des Textgehaltes der Musik (Lachen), fast zwei Din A4 Seiten lang, geschrieben habe.
„Die Stimmung ist dann am besten, wenn du nicht mehr erkennst, welcher Song da gerade läuft.“
Du sagtest am Telefon, dass dich Coolness etwas stört.
Plemo: Okay, das klang eben schon mal ein bisschen an. Eine gewisse ablehnende Kühle gegenüber Emotionen, dieses auf Teufel komm raus nicht Hippie sein, stinkt mir (Lachen). Ich finde, Menschen sind emotionale Wesen, und die haben auch das Recht, sich darüber auszutauschen. Weil sie auch die Möglichkeiten haben. Und deswegen mag ich Coolsein im Moment überhaupt nicht. Das ist ein Relikt.
Wenn also von Kontrollverlust die Rede ist, dann nicht im Sinne von Party machen und sich darüber selbst darstellen, sondern wirklich feiern aus der jeweiligen emotionalen Situation heraus, ohne einen gewissen Stil zu fahren.
Plemo: Nur so kann Feiern auch ein Ventil sein, indem man sich halt verliert und einfach das passieren lässt, was der Moment bringt.
Ich hab auch selber teilweise beim Ausgehen den Eindruck gehabt, das Feiern doch schon ziemlich ritualisiert ist. Wie man wann welchen Song abfeiert, wie man sich benimmt und was getrunken wird.
Plemo: Die Stimmung ist dann am besten, wenn du nicht mehr erkennst, welcher Song da gerade läuft. Also nicht, weil man zu blau ist, sondern weil’s auch einfach nicht mehr interessiert.
Miki: Nee, Stimmung ist dann am besten, wenn der DJ Jeden Scheiß spielen kann und die Leute feiern einfach weiter.
Plemo: Weil die Musik gut ist und es egal ist, welche Band das ist. Die Stimmung ist auch dann gut, wenn du vergisst, dass du eigentlich Raucher bist. Wenn du eine Stunde lang tanzt und normalerweise eigentlich nach zwanzig Minuten Lungenschmacht kriegst und dann sagst „Oh, ich hab vergessen zu rauchen.“ Dann ist der Zustand erreicht. Ohne Drogen, wohlgemerkt, also das lassen wir mal schön raus, das will ich mal aufklären hier. Also wir sind echt keine Junkieband, auch wenn viele das immer denken. Dass war mal ein Spaß auf der Excess Express-Platte, sich einfach darüber ein bisschen lustig zu machen.
Wie war das? Mit „Weiße Linie“ …?
Plemo: „Give me a white line, ich möchte breit sein“. Das ist einfach eine überspitzte Form von diesem Hedonismusgedanken, der im Moment so aufgeblasen wird, als wäre das das tollste der Welt. Aber das ist halt dangerous. Fertig.
Das Walzenlabel
Welche Chancen seht ihr momentan, mit Musik den Lebensunterhalt zu bestreiten?
Plemo: Live. Alles, was mir dazu einfällt. Die Zukunft des Tonträgers steht in den Sternen. Es gibt tausend Ideen und Visionen, aber keiner hat irgendwie einen Ansatz, so dass es los geht, dass man wüsste. „Das wird’s jetzt“. Also muss man sich auf das Livespielen konzentrieren.
Rampue: Konserve ist einfach eine Ära, die zu Ende ist, oder?
Seht ihr da auch eine Gefahr drin?
Rampue: Ich sehe da keine Gefahr, nö.
Plemo: Die Gefahr besteht vor allem für die Labels und die Presswerke.
Miki: Ich hab heute darüber nachgedacht, dass ein Majorlabel ja keine Künstler mehr aufbauen, die mal so fünf Jahre lang durchziehen kann, ohne dass das Geld abwirft. Die können eigentlich nur noch abgreifen und melken was da ist. Und das war aber das Modell, das die letzten fünfzig Jahre funktioniert hat, aber das muss ja nicht ewig so weitergehen.
Plemo: Doch, es gibt eine Zukunft. Diese Geräte, die man an eine Glasscheibe drückt mit so einer Walze. Mit so zwei Oktaven Metallstiften, die man so dreht. Wenn man schafft, dass darauf ein Song releast wird von einem, dann hast du es echt geschafft, dann hast du einen Evergreen, der mindestens vierhundert Jahre hält. Oder diese automatischen Klaviere, was kommen da für Songs eigentlich drauf? Der Aufwand, so ein Ding herzustellen. Das Walzenlabel. (lachen)
Das wäre super.
„Ich habe meine vier Stunden Beatles Material auf dem Tonband, das ist auch geil.“
Eure Lieblingsmusiker?
Plemo: Beatles: Songs und Geschichten. Pet Shop Boys: die Leichtigkeit, obwohl es gar nicht stimmt und Mike Oldfield: Melodien und… jetzt hab’ ich das Wort vergessen. Nicht Esoterik, sondern…
Atmosphäre?
Plemo: Atmosphäre, das war’s.
Schwierigste Frage überhaupt, finde ich: Lieblingsbeatlesalbum, bestes Beatlesalbum?
Plemo: Kann ich gar nicht so sagen, weil die Beatles so in mich reingekommen sind, dass mein Vater auf Tonband früher alles aufgenommen hatte. Der hatte alle Singles, glaube ich, ich kenne alle Singles incl. b-Seiten. Obwohl ich ein großer Beatles Fan bin, habe ich selten ein komplettes Beatles-Album durchgehört. Weil ich sie nicht habe. Wie gesagt, ich habe meine vier Stunden Beatles Material auf dem Tonband, das ist auch geil.
Revolver, als Empfehlung.
Rampue: Ja, finde ich auch.
Da ist “Tomorrow Never Knows drauf”.
Plemo: Diesen Song finde ich auch großartig. Mein Lieblingssong ist auch „Strawberry Fields Forever“, aber als Popsong, als trauriger Popsong ist „Hey Jude“ eine totale Krönung. Ich mag aber auch gerne Songs von George Harrison. Der hat mit die schönsten Songs geschrieben. „Here Comes The Sun“, was ist das denn? Das ist ein Song für so eine Walze.
Eure „Faves“?
Rampue: Schwierig.Die erste Stelle müssen sich zwei Bands teilen. Das sind definitiv Kraftwerk und ELO, wobei ich jetzt nicht ELO sagen würde, sondern Jeff Lynne als Produzent, weil das einfach die, Unwort, perfekteste Popmusik ist, die je gemacht wurde. Und Kraftwerk einfach dafür, dass sie das gemacht haben, was sie gemacht haben und immer machen werden, weil das einfach Wahnsinn ist. Und an zwoter Stelle muss ich Mikron 64 sagen, weil das, als das damals raus kam, die Musik war, die ich mir immer gewünscht habe. Keine andere Musik hat mich, neben ELO und Kraftwerk, so dermaßen beeinflusst wie die Songs von Mikron 64.
Miki: Mein absoluter Lieblingsmusiker ist Vince Clarke, der Typ, der Depeche Mode mitgegründet hat und der da auch erst die Songs geschrieben hat und der nach der ersten Platte ausgestiegen ist und dann Erasure gegründet hat. Der Typ hat es einfach drauf, der kann super Songs schreiben und hat irgendwie ein Gefühl für, ich weiß gar nicht, kann ich gar nicht ausdrücken. Und an zweiter Stelle Petshop Boys. Du sagtest gerade Leichtigkeit, das empfinde ich gar nicht so…
Plemo: obwohl es gar nicht stimmt, meinte ich.
Miki:… Ja, genau, stimmt. Wegen ihrer Ambivalenz, halt so ein totalen Pop zu machen, aber das eigentlich gar nicht richtig zu können. Also die haben ja auch immer nur so produzieren lassen. Ich bin mal gestolpert über so eine Compilation von Demos und alten Songs und die klingen teilweise so grottig, das ist unglaublich, was da alles so draus geworden ist.
Das „beste Album, das jemals auf den Markt gekommen ist.“
Plemo: Zur Platte ist noch zu sagen, dass es so ist, dass es einfach das beste Album ist, das jemals auf den Markt gekommen ist. Man denkt jedes Mal, man hätte den neusten, größten Wurf gemacht. Man arbeitet ein Jahr ungefähr, oder zwei Jahre, der neue Rhythmus ist ein Jahr jetzt an der Produktion. Eigentlich ist man immer dabei. Jede Sekunde, immer ist man mit dem Kopf dabei. Und wenn das dann vorbei ist, dann kann man nicht einfach sagen: „Öh, ich hab eine Mauer gebaut, und die ist schön“, Das haut irgendwie nicht hin.
Rampue: Ich finde die neue Platte ist definitiv die schlüssigste von Plemo bis jetzt. Am Anfang so diese Spielereien von der „Yeah“, dann von der Kennzeichen P das Lächerliche. Auf der „Excess Express“ ging’s schon langsam in das Ernstere hinein, aber es gab auch noch so was wie „I Sexi Motherfuck“ oder dieses Überzogene, Drogenverherrlichende. Und jetzt bei der neuen Platte finde ich, die ist wirklich die schlüssigste.
Sehr selbstsicher, find ich einfach.
Plemo: Der Anfangstitel war: „The Last Album“. Mit Lars, beim ersten Gespräch…
Miki: „The Lars Album“ (Lachen)
Plemo: ... das hätte man ja eigentlich auch mit diesem Tonträgerkrams, was du eben gefragt hast zusammenbringen können, weil wir überlegt haben „Es macht gar keinen Sinn mehr, Tonträger herzustellen“. Das war der eine Grund und der andere war, dass ich einen Moment lang das Gefühl hatte, dass musikalisch jetzt der Punkt erreicht ist, an dem ich mit Plemo abschließen könnte. So. Aber das ist Käse. Eigentlich ist das der Punkt, wo’s gerade anfängt.
Und außerdem: Rampue sagt: mein Album. Das stimmt nicht, es ist auch mindestens zu 50% sein Album.
Miki: Rampue bringt auf jeden Fall eine gewisse Leichtigkeit oder so eine Professionalität.
Selbstbewusstsein vielleicht?
Miki: Ja, das hattest du gesagt. Selbstsicherheit. Also mehr so „Eier“, würde ich fast sagen.
Plemo: Da fällt mir wieder ein, in deiner Juri Gagarin Kritik hast du geschrieben, oder weiß nicht, ob das in einer anderen war, die Melodien kennt man alle schon. Weil die so selbstverständlich sind. Das macht auch das Grandiose daran aus, dass man nicht weiß, ob sie jetzt von der Münchener Freiheit oder den Petshop Boys kommen, auch das macht große Musik aus. Und das ist bei Rampue so, da bin ich so was von, da bin ich echt Lichtjahre von entfernt. Eine Melodie zu machen, die Bestand hat für zehn Jahre.
Interview: Lennart Thiem (lennson@gmx.net)